Der Brückenbauer zwischen Afrika und Deutschland
Peter Brucker aus Longkamp im Hunsrück hat in den vergangenen 34 Jahren 6,5 Millionen Euro für 200 Hilfsprojekte in Mali gesammelt. Er konnte viele Erfolge verzeichnen – aber es gab auch Rückschläge.
TV-Trierischer Volksfreund
BERICHT und Bild: VON CHRISTINA BENTS
Wenn Peter Brucker und seine Frau Inge in Mali unterwegs sind, werden sie in den Dörfern sehr ausgelassen und freundlich begrüßt. In einem Ort, der 800 Einwohner hat, sind dann schon mal 1500 Menschen auf den Beinen, denn auch aus den Nachbardörfern kommen dann die Menschen, um ihn zu begrüßen. In bunten Gewändern warten sie auf den Besuch aus Deutschland, Banner mit „Danke“-Aufschriften werden aufgehängt, Hühner und Schafe sind die Gastgeschenke.
„Die Freundlichkeit der Menschen dort ist überwältigend, erzählt Brucker. Sie haben nicht viel, aber sie sind zufrieden, haben Zeit, geben gerne und vor allem, sie sind sehr tolerant.“ Seine Frau Inge ergänzt: „Am Anfang war ich etwas skeptisch, ob sie vielleicht nur so freundlich sind, weil wir etwas für sie tun, aber dem ist nicht so. Sie haben tatsächlich diese Mentalität und freuen sich auf andere.“
Die Schafe lassen die Bruckers inzwischen in den Dörfern zurück, lassen sie dort schlachten und spenden sie den älteren Menschen. Die Hühner nehmen sie mit, und es gibt sie am nächsten Tag zum Mittagessen.
Wasserprojekte, Bildung und Gesundheitszentren: Diese drei Arbeitsfelder geht die Mali-Hilfe e.V. um ihren Vorsitzenden Peter Brucker aus Longkamp an. Es gibt in Mali zwei einheimische Ansprechpartner. Einer kümmert sich um die Koordination und Organisation der Projekte und ein anderer ist für die Technik und Bauliches zuständig. In der Praxis fahren die beiden, Bakary und Lakami, in die Orte, aus denen Hilferufe kommen, und schauen, ob das, was sich die Menschen dort wünschen, sinnvoll und umsetzbar ist. Sie klären zudem, ob der Eigenanteil, den jeder Ort beisteuern muss, aufgebracht werden kann.
Peter Brucker erklärt: „Wir von der Mali-Hilfe sind natürlich daran interessiert, dass die Projekte langfristig wirken und sich um die Gebäude oder Brunnen weiter gekümmert wird. Deshalb setzen wir zum einen darauf, dass die Projekte eigenverantwortlich geführt werden können.“ Und: „Es werden beispielsweise Verantwortliche benannt und gezeigt, wie die Dinge funktionieren. Zudem versuchen wir, so einfach wie möglich zu bauen, damit die Menschen vor Ort selbst reparieren können. Materialien aus der Region werden verwendet, damit auch Ersatzteile beschafft werden können, und der Ort muss eine Eigenbeteiligung zwischen fünf und 25 Prozent leisten.“
Dieses Vorgehen hat sich bewährt, denn von den 200 Projekten, die seit 1989 umgesetzt worden sind, sind bis auf zwei noch alle aktiv. „Wenn wir selbst in den verschiedenen Regionen unterwegs sind, schauen wir in den einzelnen Orten vorbei und sehen, wie es läuft, oder unsere Koordinatoren vor Ort machen das.“ Sehr schade finden sie, dass eine Schule und der Rohbau eines Kindergartens von Islamisten übernommen wurden und diese dort eigene Ausbildungszentren eingerichtet haben. „Das ist für uns natürlich sehr bitter. Im Osten des Landes sind die Islamisten sehr aktiv, und da können wir momentan auch nicht hin, weil es einfach zu gefährlich ist“, sagt Peter Brucker.
Wie sehr seine und die Arbeit seiner Frau in Mali wertgeschätzt werden, zeigt – neben dem Nationalorden Malis – ihre Taufe. Peter Brucker hat den malischen Namen „Merekouno“, das bedeutet Brückenbauer, und seine Frau „Yakouni“, das heißt „Liebe von Gott gegeben“. Dazu haben sie den Namen des Ortschefs „Ongoiba“ als Nachnamen erhalten.
In Deutschland ist er bereits 2002 vom Bundespräsidenten Johannes Rau mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden, und Papst Johannes Paul II. hat Peter Brucker schon 1987 in Rom getroffen, bei der Seligsprechung von Schwester Blandine Merten. Bei allen Auszeichnungen sei ihm aber wichtig, die Bodenhaftung nicht zu verlieren, denn die Mali-Hilfe habe ganz klein angefangen. Mit einer deutsch-französischen-Partnerschaft der Einheitsgemeinde Morbach startete das Engagement des ehemaligen Schulleiters von Morscheid-Riedenburg und anschließend Longkamp. „Wir haben damals bei der Partnerschaft darüber gesprochen, dass wir uns schon viel gegenseitig geholfen haben, aber dass wir auch etwas für andere tun könnten. Unsere französischen Gesprächspartner haben dann ein Projekt in Mali, einer ehemaligen Kolonie Frankreichs, vorgeschlagen.“
In seinem persönlichen Umfeld, beispielsweise dem Sportverein, bei Verwandten und Bekannten hat er seine ersten Spendenanfragen gemacht und 15.000 Mark für einen Staudamm zusammenbekommen. Die französische Seite hat ebenfalls 15.000 Mark gegeben. Bis heute gibt es Spendenläufe, Kuchenbasare, Projekte für das afrikanische Land und viele Menschen, die ihn mit Patenschaften unterstützen. „Wenn meine Frau und ich sonntags spazieren gehen, kann es sein, dass uns Menschen begegnen, die uns für unsere Projekte Geld zustecken und sagen: ‚Da wissen wir, dass es ankommt.‘“
Sehr aktiv in der Mali-Hilfe sind der zweite Vorsitzende Klaus Schmitt und der Kinderbuchautor Stefan Gemmel. Eine engagierte Mitstreiterin hat der Verein mit Gerhilde Theisen im vergangenen Jahr verloren. Sie häkelte mehrere Hundert Babydecken, Pullover und Sachen für die Kinder in Mali. Eine Entbindungsstation dort wurde nach ihr benannt. Sie ist mit 83 Jahren verstorben.
Ein Herzensprojekt von Peter Brucker und seiner Inge entstand schon vor 20 Jahren. Frauen, die Stoffe färben und verkaufen wollten, kamen auf die Mali-Hilfe zu, um den älteren Menschen im Ort zu helfen. Das hat sich so weiterentwickelt, dass ein Kindergarten und eine Schule gebaut wurden. Inzwischen werden 884 Schüler in 20 Klassenräumen von 28 Lehrern unterrichtet, es gibt dazu ein Näh- und Alphabetisierungszentrum, und die Schüler gewinnen bei Abschlussprüfungen auf nationaler Ebene Preise. „Durch gestaffeltes Schulgeld, Zuschüsse und Patengelder finanziert sich das Ganze, und ich bin sehr stolz darauf, wie sich diese Schule mit dem Namen „Hoffnung“ entwickelt hat“, berichtet der inzwischen 75-Jährige, der sich beim Erzählen ein kleines Tränchen aus dem Auge wischen muss.
Im Bereich Ackerbau und Viehzucht entsteht momentan ebenfalls ein Bildungszentrum, in dem Mädchen und Jungen ausgebildet werden. Es wird zusätzlich finanziell vom Bundesministerium für Entwicklungshilfe unterstützt, wo Peter Brucker und seine Vorstandskollegen regelmäßig Anträge stellen.
Inge und Peter Brucker investieren viel Zeit in ihre Arbeit in die Mali-Hilfe – und sie hat sie auch verändert. Inge Brucker berichtet: „Die Menschen dort sind gastfreundlich, kreativ, nehmen sich Zeit. Sie sagen: ‚Ihr Europäer habt die Uhr, wir die Zeit.‘ Wir sind, seitdem wir regelmäßig dort sind, kaum noch konsumorientiert. Wir haben den Eindruck, toleranter, respektvoller und empathischer anderen gegenüber zu sein. Wenn man sieht, mit wie wenig die Menschen dort zufrieden sind, kann das für unsere Gesellschaft ein Beispiel sein."
Anmerkung:
Weitere Aktivitäten, die die Mali-Hilfe e.V. bekannt machen und auch Spenden eruieren, sind Hungermärsche, Benefizveranstaltungen, Ausstellungen im „Mali-Haus“ (Museum „West-Afrika zum Anfassen“ in Longkamp und Morbach), multimediale Vorträge in Schulen, Kitas, Vereinen und nicht zuletzt bei der Inneren Führung der Bundeswehr zur Vorbereitung der Auslandseinsätze.
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